Soforthilfe für Mütter, Kinder und ältere Leute
«Otevan» ist ein Soforthilfeprojekt für Flüchtlinge, Familien und Kinder, die nach dem Krieg in ihrer Provinz aus der Region Berg-Karabach geflohen sind.
«Im Juli 2020 entbrannte erneut der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien um die autonome Republik Berg-Karabach (Artsakh). Zuvor war die Situation einigermassen ruhig in diesem seit dem Ende der Sowjetunion bestehenden, ungelösten Konflikt. Berg-Karbach war grösstenteils von armenisch stämmigen Menschen bevölkert. Wie meistens in solchen Konflikten sind die Leittragenden die Zivilbevölkerung. Die Menschen flohen aus den von Aserbaidschan eroberten Gebieten. Selbst das kleine Kernland um die Hauptstadt Stepanakert wurde bombardiert. Ein Grossteil der Leute suchte Schutz in der armenischen Hauptstadt Jerewan. Die lokale Bevölkerung, die oft ihren eigenen Lebensunterhalt kaum finanzieren kann, öffnete für die Geflüchteten ihre Türen und lud sie an ihre Tische ein.
Da ich Armenien seit 1994 kenne und viele Freunde in diesem gastfreundlichen und friedfertigen Land habe, war mein erster Gedanke: Wie kann ich die Menschen in der schweren Situation (der Winter nahte) unterstützen. Zusammen mit der Stiftung ‘Sourire vers l’Avenir’ entschieden wir, unseren Fokus auf die Finanzierung von Unterkünften für Mütter, Kinder und ältere Leute zu konzentrieren. Da die Hotels in dieser Krisensituation leer standen, konnten wir mit Hilfe der lokalen Organisation Armenien Women for Health and Healthy Environment (AWHHE) 5 Hotels finden, deren Besitzer einverstanden waren, die Leute temporär aufzunehmen. Somit war das Projekt «Otevan» (Schutzunterkunft auf Armenisch) geboren.
«Wir konnten mit Hilfe der lokalen Organisation Armenien Women for Health and Healthy Environment (AWHHE) fünf Hotels finden, deren Besitzer einverstanden waren, die Leute temporär aufzunehmen.”
Die Hotelbesitzer gewährten Unterkunft (Hotels Blur Inn, Picnic City, Anarik Berdazor in Jerewan; Projekt Nor Shin in Dilijan). Wir finanzierten die Energiekosten (Strom, Wasser, Gas) und die lokale Bevölkerung organisierte das Essen. Durch diese koordinierte Zusammenarbeit konnten die Menschen aus Karabach von Oktober 2020 bis Mai 2021 ein bisschen Wärme, Ruhe und Schutz geniessen und sich auf ihre ungewisse Zukunft vorbereiten.
Bis Juni 2021 waren die meisten Menschen wieder in ihr Heimatdörfer oder nach Stepanakert zurückgekehrt. Diejenigen, deren Dörfer zerstört oder erobert wurden, fanden bei Verwandten oder Freunden Unterkunft. Derzeit herrscht Waffenstillstand, der vom russischen Militär streng überwacht wird.
Nach dem Rückkehr
Im Oktober 2021, während meines Aufenthalts in Armenien, hatte ich die Gelegenheit für 3 Tage nach Karabach zu reisen. Dies war nur auf inoffizielle Weise möglich, da Ausländer zurzeit kaum eine Einreiseerlaubnis erhalten. Mein Ziel in Karabach war es, einige der aus Jerewan Zurückgekehrten zu treffen, um im Gespräch herauszufinden, wie es ihnen geht und wie sie sich heute zurechtfinden.
Eine erfreuliche Begegnung hatte ich mit Marjam, einer Bewohnerin aus dem Dorf Tsakhkashat ausserhalb von Stepanakert. Sie war sehr froh, dass sie und ihre Familie während des Kriegs in Jerewan eine temporäre Bleibe erhalten hatten. Für sie, wie auch für die meisten in ihrem Dorf, war immer klar, dass sie bei einer Beruhigung der Situation in ihre Heimat zurückkehren würden. Hier seien ihre Eltern und Grosseltern aufgewachsen. Hier sei ihre Erde und sie liebe das Land. Sie betreut das ‘Nikol Duman Museum’ und hat einen kleinen Lebensmittelladen im Dorf eröffnet, da nun keine Touristen mehr das Museum besuchen kommen. Sie erzählte von der Perspektivlosigkeit der Leute im Dorf, da sie nie sicher seien vor einem Angriff aus dem benachbarten Aserbaidschan. Nichtdestotrotz wünschen sie sich nichts Anderes als in ihrer Heimat friedlich leben und arbeiten zu dürfen.»
Autor: peTer zbinden